Mela Dávila-Freire „documenta und der Kunstmarkt (1955 – 1968)“

Mela Dávila-Freire

documenta und der Kunstmarkt (1955 – 1968)

Die erste documenta (1955) fand in einem durch den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg zerstörten Nachkriegsszenario statt, in dem tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen im Gange waren. Sieben Jahrzehnte später ist die documenta als Kunstausstellung zu einem bedeutenden globalen Kunstereignis geworden, das formal als vom Kunstmarkt „unabhängig“ gilt. Das war jedoch nicht immer so: In den Anfängen der documenta trafen der Finanzierungsbedarf, der Wunsch nach Demokratisierung und der Wunsch, neue Kunstgattungen einzubeziehen, auf private, lukrative Interessen. Diese Bedürfnisse führten zur Gründung der „documenta-Foundation”, einem Verein, der Künstlereditionen und Multiples vermarkten sollte. Die Aktivitäten der Foundation brachten zwar beträchtliche Einnahmen, führten aber bald zu Interessenskonflikten, die schließlich zur Aufgabe dieser Initiative führten.

In diesem Forschungs- und Buchprojekt wird die Geschichte der frühen documenten (1955-1968) aus einem interdisziplinären Blickwinkel betrachtet: Es geht um die Schnittstelle zwischen kommerziellen und künstlerischen Interessen. Ziel ist es, die Tätigkeit der documenta als Verlegerin von Künstlereditionen und Multiples in ihren Anfangsjahren nachzuzeichnen. Dieser Zeitraum fiel mit dem historischen Moment zusammen, in dem das Genre des Künstlerbuchs von den Avantgarden aufgegriffen und in die künstlerische Praxis vieler Künstler*innen auf beiden Seiten des Atlantiks aufgenommen wurde. Die Verlagsinitiative der documenta reagierte auf diese neue Entwicklung in der Kunst, baute aber auch eine komplexe Beziehung zum entstehenden Kunstmarkt im Nachkriegsdeutschland auf, die in dem Forschungsprojekt erstmals ausführlicher konturiert wird. In dieser Entwicklung spielen Persönlichkeiten wie z. B. Arnold Bode eine Rolle, der historisch als „Gründungsvater“ der documenta gefeiert wird. Die Protagonisten sind jedoch hauptsächlich Figuren wie der Galerist Hein(rich) Stünke, Mitbegründer der Art Cologne, oder der Porzellanfabrikant und Kunstmäzen Philip Rosenthal, genauso wie Fachleute aus der Kunstwelt, deren Beziehung zur documenta weniger erforscht ist, so z. B. der Galerist Rudolf Zwirner oder der Kunstsammler und Gründer des Louisiana Museum of Modern Art in Humlebaek Knud Jensen, der ein glühender Verehrer der Kasseler Ausstellung war.

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